Vergleichen, Entscheiden und Wollen


Ein Beispiel:

Eine Amsel muss sich immer wieder zwischen mannigfachen Beeren entscheiden, die sie essen könnte, also u.a. zwischen Beeren von Mispeln, Ebereschen, Eiben, Weißdorn, Feuerdorn, Johannesbeeren usw. Sie hat die Wahlmöglichkeit und VERGLEICHT die Früchte und ENTSCHEIDET, dass sie lieber die Johannesbeeren frisst und die anderen Beeren nicht anrührt. Sie muss einerseits gedanklich die Auswahl machen, andererseits aber auch FÜHLEN, dass sie die Johannisbeeren WILL, damit sie den erwünschten Busch mit den subjektiv besten Früchten auch wirklich anfliegt.
Sie folgt also keinem Reiz-Reaktionsschema, dass ihr befiehlt, Früchte zu essen, sobald sie sie erblickt, denn die auffälligen roten Beeren der Mispel lässt sie im Wissen um die Existenz der Johannesbeeren (die sie in dem selben Moment nicht sieht) links liegen.


Komplexität

Tatsächlich ist die Aufgabe zu entscheiden noch komlizierter, weil verschiedene Aspekte in die Entscheidung einfließen. Wenn in dem Garten, indem die Johannesbeeren wachsen eine Katze wohnt, fliegt die Amsel den Busch nur zu bestimmten Zeiten an, wenn er sicher scheint und nimmt sonst mit der nächstbesten Beerensorte in einiger Entfernung Vorlieb. Dabei muss sie allerdings beachten, dass sie in Konflikte mit anderen Amseln geraten kann, die diese Gebiete besetzen. D.h. die Amsel ist in ein komlexes System von Handlungsoptionen, Anziehungspunkten und Störfaktoren eingebunden. Sie muss verschiedene Informationen gleichzeitig berücksichtigen und zwischen Gefühlen der Angst und der Gier einen Weg finden.


Individualität

Einige Draufgänger spielen damit, trotzdem zu naschen und der Katze knapp zu entfliehen, andere halten sich ängstlich fern, beobachten das Gebiet gründlich und wagen sich nur ausnahmsweise an die leckeren Beeren.
Die individuellen Tiere handeln von mal zu mal unterschiedlich, zeigen aber auch Gewohnheiten und Vorlieben.
Ihr Verhalten ist also weder festgelegt noch zufallsbedingt, sondern situationsbezogen, stimmungsbedingt und charakterabhängig.

Interessenskonflikte

Exemplarisch dafür kann man dafür die Wahl eines Schlafplatzes genauer betrachten. Dabei spielen Faktoren wie
Temperatur, Sicherheit, Liegekomfort, soziale Stellung und Bedürfnisse nach zwischentierlicher Nähe zum Tragen.

Zum Beispiel hat unser Hund das große Bedürfnis nach körperlicher Nähe und liebt es im Bett und im Arm zu liegen
und überwindet seinen Instinkt in einer Position zu schlafen, die eine plötzliche Flucht ermöglichen würde, indem er
zulässt, dass ein Arm um ihn gelegt wird oder sogar ein Bein oder eine Pfote umschlungen wird. Hiergegen haben
Hunde eigentlich eine instinktive Aversion, und entziehen sich sofort, weil es ihnen das Gefühl gibt, der Freiheit
beraubt zu sein. Doch der Hund kann sich entwickeln und seine Einstellung verändern, wenn er die körperliche
Nähe während des Schlafens liebt und lernt, dem Menschen zu vertrauen. Ihm ist die Nähe wichtiger, als eine
Fluchtposition. Ist ihm jedoch zu warm oder er liegt
unbequem, so wechselt er auf den Boden, kehrt wieder ins Bett zurück und legt sich nach einiger Zeit wieder auf
den Boden. So schafft er einen Aussgleich in dem unauflösbaren Interessenkonflikt, einerseits bequem und
angenehm kühl zu liegen, andererseits körperliche Berührung zu wünschen. Andere Hunde dagegen verlassen
um keinen Preis die Seite des geliebten Mitgeschöpfes und dulden auch, wenn das Liegekomfort in anderen
Aspekten nicht so gut ist. Anderen wiederum ist eine wachsame Lage unersetzlich, andere wollen ihre Ruhe usw.
Jedes Wirbeltier setzt in seinem Leben Prioritäten und muss Interessenkonflikte entscheiden.